13.02.2015
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG: Abfärberegelung, Rechtsanwalts-GbR
Insolvenzverwaltung als sonstige selbständige Tätgikeit, angestellter Insolvenzverwalter, gewerbliche Tätigkeit von untergeorneter Bedeutung
BFH, Urt. v. 27.08.2014 - VIII R 6/12
Amtliche Leitsätze:
- Eine Rechtsanwalts-GbR ist gewerblich tätig, soweit sie einem Angestellten Rechtsanwalt die eigenverantwortliche Durchführung von Insolvenzverfahren überträgt.
- Ihre Einkünfte werden dadurch nicht insgesamt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu solchen aus Gewerbebetrieb umqualifiziert, wenn die Nettoumsatzerlöse aus dieser auf den Angestellten übertragenen Tätigkeit 3 v.H. der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 € im Veranlagungszeitraum nicht übersteigen.
Kurzsachverhalt:
Der BFH hat schon vor einigen Jahren entschieden, dass die Tätigkeit eines Insolvenz-, Zwangs- und Vergleichsverwalters - auch wenn sie durch Rechtsanwälte ausgeübt wird - eine vermögensverwaltende Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG darstellt (BFH, Urteil vom 15.12.2010 - VIII R 50/09, BStBl. II 2011, 506 = ZIP 2011, 582), und hat in diesem Zusammenhang auch die bis dahin vertretene "Vervielfältigungstheorie" aufgegeben.
In der erst jetzt bekannt gewordenen vorliegenden Entscheidung des BFH ging es um eine Rechtsanwalts-GbR. Parallele Entscheidungen sind am selben Tag zur Umqualifizierung der künstlerischen Tätigkeit einer GbR in gewerbliche Einkünfte (VIII R 16/11) und zu sonstigen Tätigkeiten einer Werbeagentur (VIII R 41/11) ergangen.
Die Klägerin ist eine aus sieben Rechtsanwälten/-innen bestehende GbR, die auch auf dem Gebiet der Insolvenzverwaltung tätig ist. Einer der Gesellschafter wurde in den Streitjahren 2003 und 2004 regelmäßig zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter (31 und 20 Bestellungen) oder Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren (19 und 21 Bestellungen) bestellt. In diesen Jahren beschäftigte die Klägerin drei angestellte Rechtsanwälte, u. a. Rechtsanwalt Y, sowie sieben weitere angestellte Mitarbeiter (Rechtsanwaltsfachangestellte und Bürokräfte). Zudem beauftragte sie in geringem Umfang einen Unternehmensberater und eine Bilanzbuchhalterin als Subunternehmer. Y wurde in den Streitjahren jeweils 25 bzw. 38 mal selbst zum Treuhänder oder (vorläufigen) Insolvenzverwalter bestellt. Darüber hinaus nahm er Prozesstermine in Mandatsangelegenheiten war. Die beiden anderen Angestellten Rechtsanwälte bereiteten Klagen für den Forderungserwerb vor und nahmen Gerichtstermine war. Sie wurden nicht zum Insolvenzverwalter oder Treuhänder bestellt.
Die aus der Tätigkeit des Y als Insolvenzverwalter und Treuhänder in den Streitjahren erzielten Einnahmen der Klägerin beliefen sich auf 15.358,52 € im Jahr 2003 und 21.065,42 € im Jahr 2004.
Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn - unstreitig 528 T€ bei Nettoumsätzen von 847 T€ (2003) und 410 T€ (2004) bei Nettoumsätzen von 787 T€ - durch Einnahmenüberschussrechnung und behandelte ihre Einkünfte als solche aus selbstständiger Arbeit i.S. von § 18 EStG.
Nach Außenprüfung meinte das FA, die Klägerin habe nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gewerbliche Einkünfte erzielt, da sie nach den Kriterien der Vervielfältigungstheorie im Bereich der Insolvenzverwaltung nicht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfülle und erließ entsprechende Bescheide.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 15.12.2011 - 2 K 412/08). Die Revision des FA hat der BFH zurückgewiesen.
Kernaussagen:
- Auch die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter und als Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren ist eine vermögensverwaltende Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.
- Im Ergebnis hat der BFH die Tätigkeit der Klägerin, soweit sie in der Insolvenzverwaltung des Gesellschafters RA X lag, als sonstige selbstständige Arbeit bewertet, soweit sie auf der Tätigkeit des Angestellten RA Y beruhte, hingegen als gewerblich qualifiziert und dabei seine Rechtsprechung zur Aufgabe der so genannten Vervielfältigungstheorie im Zusammenhang mit § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (s. o.) bestätigt.
2.1. Die nach Aufgabe der Vervielfältigungstheorie auch für den Bereich der Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zulässige Mitarbeit fachlich Vorgebildeter setzt voraus, dass der Berufsträger trotz solcher Mitarbeiter auch in diesem Bereich seinen Beruf leitend und eigenverantwortlich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ausübt.
2.2. Diesem Erfordernis entspricht eine Berufsausübung nur, wenn sie über die Festlegung der Grundzüge der Organisation und der dienstlichen Aufsicht hinaus durch Planung, Überwachung und Kompetenz zur Entscheidung in Zweifelsfällen gekennzeichnet ist und die Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Maße gewährleistet.
2.3. Die Feststellung dieser Voraussetzungen obliegt als Frage der Tatsachenfeststellung und-würdigung den Finanzgerichten nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls und den Besonderheiten des jeweiligen Berufs.
2.4. Auf dieser Grundlage konnte das FG ohne Rechtsfehler und ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze feststellen, dass der Angestellte RA Y seine Tätigkeit leitend und eigenverantwortlich ausübe, so dass im Umkehrschluss insoweit nicht mehr von einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin ausgegangen werden könne.
2.5. Das aus jedem Arbeitsvertrag folgende Weisungsrecht des Arbeitgebers und die damit verbundene Eingliederung in dessen betriebliche Strukturen führen für sich allein nicht dazu, dass von einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG des jeweiligen Berufsträgers in Bezug auf die von dem Arbeitnehmer verrichteten Tätigkeiten ausgegangen werden kann. Andernfalls liefe dieses Merkmal weitestgehend leer.
- Im Ergebnis waren die Einkünfte der GbR trotz der teilgewerblichen Tätigkeit nicht als gewerblich zu qualifizieren, denn bei Anwendung der Abfärbetheorie aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ist die Verhältnismäßigkeit zu wahren, obwohl nach dem Wortlaut der Norm unerheblich ist, ob der gewerblichen Tätigkeit im Rahmen des gesamten Unternehmens nur geringfügige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, um den Anforderungen des BVerfG zu einer verfassungsgemäßen Interpretation der Vorschrift zu genügen.
3.1. Eine Trennung der nichtgewerblichen von der gewerblichen Tätigkeit war im Streitfall möglich, da die Mitunternehmer der Klägerin nur im Hinblick auf die von Y ausgeübte Tätigkeit als Insolvenzverwalter und Treuhänder nicht leitend und eigenverantwortlich tätig waren und die darauf entfallenden Umsätze auch von den Umsätzen aus selbständiger Arbeit getrennt ermittelt werden konnten.
3.2. Die gewerblichen Umsätze der Klägerin waren so gering, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Abfärbewirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG im Streitfall ausschloss.
3.2.1. Eine Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß die nicht dazu führt, dass die gesamte Tätigkeit der Personengesellschaft einheitlich als gewerblich fingiert wird, liegt dann vor, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 € im Veranlagungszeitraum nicht übersteigen.
3.2.2. Die erwirtschafteten Umsätze erlauben bei typisierender Betrachtung Rückschlüsse auf den auf die verschiedenen Tätigkeiten entfallenden zeitlichen und finanziellen Aufwand der Gesellschaft und damit darauf, ob der gewerblichen Tätigkeit eine völlig untergeordnete Bedeutung zukommt.
3.2.3. Zur Vermeidung einer Privilegierung von Personengesellschaften mit besonders hohen freiberuflichen Umsätzen und unter Berücksichtigung des Normzwecks, das Gewerbesteueraufkommen zu schützen, ist es neben der Begrenzung auf 3 % erforderlich, einen Höchstbetrag von 24.500 € festzusetzen. Dieser orientiert sich an dem gewerbesteuerlichen Freibetrag für Personengesellschaften nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 die GewStG. Denn im Regelfall droht dann kein Ausfall von Gewerbesteuer, wenn bereits die gewerblichen Umsätze unter dem gewinnsbezogenen Freibetrag in Höhe von 24.500 € liegen.
3.2.4. Obwohl es sich bei dem Freibetrag des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG um eine Gewinn- und nicht um eine Umsatzgrenze handelt, ist es sachgerecht, den für Personengesellschaften geltenden gewerbesteuerlichen Freibetrag als Umsatzgrenze für eine typisierende Einschränkung der Abfärbewirkung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG heranzuziehen.
Urteil im Volltext herunterladen: Download PDF