21.07.2015
§ 15 Abs. 4 UStG: Vorsteuer aus der Verwaltervergütung
Afuteilung der Vorsteuer bei privaten und unternehmerischen Insolvenzforderungen
BFH, Urt. v. 15.04.2015 - V R 44/14; ZIP 2015, 1237
Amtlicher Leitsatz:
Dient ein Insolvenzverfahren sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des - zum Vorsteuerabzug berechtigten - Unternehmens wie auch der Befriedigung von Privatverbindlichkeiten des Unternehmens, ist der Unternehmer aus der Leistung des Insolvenzverwalters grundsätzlich im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.
Kurzsachverhalt:
Die Schuldnerin, eine natürliche Person, beendete ihre unternehmerische Tätigkeit noch vor der Verfahrenseröffnung.
Der klagende Verwalter nahm Abwicklungstätigkeiten vor, erklärte gegenüber dem Beklagten FA eine Insolvenzanfechtung und traf eine Anfechtungsvereinbarung. Aus Verwertungsmaßnahmen erzielte der Kläger Einnahmen in Höhe von 38.121,77 €.
Er erteilte für seine Tätigkeit der Schuldnerin eine Rechnung mit einem gesonderten Steuerausweis über 2.713,84 €. In dieser Höhe machte er für die Schuldnerin den Vorsteuerabzug geltend. Das FA ließ den Vorsteuerabzug nur anteilig zu. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Das sächsische FG (EFG 2015, 169) gab der Klage überwiegend statt. Der Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe insoweit, als ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Eingangsleistung und der wirtschaftlichen Tätigkeit bestehe. In Bezug auf die wirtschaftliche Tätigkeit seien nicht nur die angemeldeten Forderungen von 229.653,80 €, sondern auch die Einnahmen aus der Verwertung zu berücksichtigen. Der Anteil, der auf die Verwaltung privater Schulden und Zahlungen entfalle, belaufe sich nur auf 8,35 %. In Bezug auf den geltend gemachten Vorsteuerbetrag von 2.713,84 € sei der Vorsteuerabzug daher in Höhe von 2.487,23 € anzuerkennen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Kernaussagen:
- Der Unternehmer und damit im Streitfall der Gemeinschuldner ist nach § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Eingangsleistungen für Zwecke seines Unternehmens und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit bezieht. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach dem auf Art. 168 Buchst. a MwStSystRL beruhenden § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Hierfür muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung bestehen. Bei richtlinienkonformer Auslegung setzt der Vorsteuerabzug § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG somit voraus, dass der Unternehmer Leistungen für sein Unternehmen und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt. Die Ausgangsleistungen des Unternehmers müssen zudem steuerpflichtig oder in § 15 Abs. 3 UStG benannt sein.
- Beabsichtigt der Unternehmer, eine von ihm bezogene Leistung zugleich für seine wirtschaftliche und seine nichtwirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden, kann er den Vorsteuerabzug grundsätzlich nur insoweit in Anspruch nehmen, als die Aufwendungen hierfür seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen sind. § 15 Abs. 4 UStG ist hier analog anzuwenden. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln.
- Siehe Leitsatz.
- Die Leistungen des Insolvenzverwalters stehen im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den im Insolvenzverfahren angemeldeten Insolvenzforderungen. Handelt es sich bei dem Gemeinschuldner, wie im Streitfall, um eine natürliche Person, die als Unternehmer tätig war, kann das Insolvenzverfahren daher gleichermaßen der Befriedigung unternehmerischer wie auch privater Verbindlichkeiten dienen.
- 5.1 Da die gesamte Verwalterleistung eine einheitliche ist, bezieht sie sich auf die Gesamtheit der im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger. Folglich besteht der für den Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zu der Gesamtheit dieser Insolvenzforderungen. Eine Berücksichtigung einzelner Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters kommt demgegenüber nicht in Betracht.
5.2 Die wirtschaftliche Zurechnung erfordert dabei eine Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der unternehmerisch begründeten Verbindlichkeiten zu den Privatverbindlichkeiten, wobei jeweils auf die im Insolvenzverfahren angemeldeten Insolvenzforderungen abzustellen ist.
- Ob und unter welchen Voraussetzungen der Unternehmer durch eine andersartige sachgerechte Schätzung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG aufteilen kann, ist im Streitfall ebenso wenig zu entscheiden wie über die Frage, ob es im Fall einer Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter zu einer Vorsteueraufteilung nach Maßgabe der fortgesetzten unternehmerischen Tätigkeit unter Vernachlässigung -einer nur teilweisen unternehmerischen Begründung - von Insolvenzforderungen kommen könnte.
- Nach diesen Maßstäben ist das Urteil des FG aufzuheben, da es die sich aus dem Begriff der wirtschaftlichen Zurechnung i.S. von § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG ergebenden Aufteilungsgrundsätze nicht hinreichend berücksichtigt hat. Auf die Frage der Bindung an eine bestimmte Schätzungsmethode kommt es daher nicht an.
- Im zweiten Durchgang hat das FG für die angemeldeten Insolvenzforderungen einzeln zu entscheiden, ob sie dem unternehmerischen oder privaten Bereich zuzuordnen sind. Bei dieser Abgrenzung kann sich das FG daran orientieren, ob Kosten zur Abwehr zu Unrecht geltend gemachter Insolvenzforderungen zum Vorsteuerabzug berechtigen würden.
Anmerkung:
Mit einem erst kürzlich bekannt gewordenen Urteil vom 29.01.2015 (7 K 25/13, ZIP 2015, 1241) hat das FG Köln abweichend für den Fall entschieden, dass der Verwalter umsatzsteuerpflichtige und -freie Leistungen für die Masse ausführt:
- Die Leistung des Insolvenzverwalters und die daraus resultierende Vorsteuer sind der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners zuzuordnen.
- Hat der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nahezu ausschließlich Umsätze getätigt, die zum vollen Vorsteuerabzug berechtigen, steht der Insolvenzmasse der Vorsteuerabzug aus der Tätigkeit des Insolvenzverwalters selbst dann in vollem Umfang zu, wenn der Insolvenzverwalter für den Schuldner auch umsatzsteuerfreie Umsätze ausgeführt hat.
Die Revision ist unter V R 15/15 beim BFH anhängig.
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