Kernaussagen:
BGH, Urt. v. 26.01.2017 – IX ZR 285/14
Amtliche Leitsätze:
Kurzsachverhalt:
Die Schuldnerin beauftragte den beklagten Steuerberater 2005, den Jahresabschluss für 2003 zu erstellen. Hierzu übergab sie ihm unter anderem den Jahresabschluss 2002, der einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 33.127,93 € auswies. In den Folgejahren erteilte sie dem Beklagten jeweils erneut Einzelaufträge, die Jahresabschlüsse zu erstellen. Der Beklagte kam diesen Aufträgen nach. Das ursprüngliche Stammkapital der Schuldnerin von 25.564,59 € wurde 2007 auf 50.000 € erhöht.
Die vom Beklagten erstellten Jahresabschlüsse wiesen jeweils nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge auf:
Erstellung Abschluss | Stichtag | Verlust/Gewinn | Fehlbetrag |
Mai 2005 | 31.12.2003 | - 49.071,31 € | 82.199,24 € |
2006 | 31.12.2004 | - 13.592,24 € | 95.791,48 € |
15.03.2007 | 31.12.2005 | - 32.125,13 € | 127.852,50 € |
28.08.2007 | 31.12.2006 | + 54.192,28 € | 73.660,22 € |
03.01.2009 | 31.12.2007 | - 44.216,94 € | 93.441,75 € |
In Anschreiben vom 20.04.2007 und 28.08.2007 wies der Beklagte darauf hin, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin verpflichtet sei, "regelmäßig die Zahlungsfähigkeit sowie die Vermögensverhältnisse der GmbH dahingehend zu überprüfen, ob die Zahlungsfähigkeit gewährleistet ist und dass keine Überschuldung vorliegt". Im Schreiben vom 28.08.2007 ist zusätzlich auf den im Jahresabschluss 2006 enthaltenen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 73.660,22 €, die daraus folgende Überschuldung der Gesellschaft, die in den Vorjahren bestehende vergleichbare Situation und die daraus folgenden Prüfungs- und Handlungspflichten des Geschäftsführers insbesondere hinsichtlich einer Insolvenzantragspflicht hingewiesen.
Mit Schreiben vom 29.11.2007 wies der Beklagte auf einen Rückgang der Umsatzerlöse im Vergleich zum Jahr 2006 um fast 50 v.H. bei gleichzeitig um 20 v.H. gestiegenem Personalaufwand hin. Mit Schreiben vom 15.01.2009 übersandte er den vorläufigen Jahresabschluss 2007 und teilte mit, dass sich die Überschuldung durch den Jahresfehlbetrag weiter erhöht habe.
Am 02.07.2009 stellte die Schuldnerin Eigenantrag; Verfahrenseröffnung folgte am 15.07.2009.
Der Kläger beantragt festzustellen, dass der Beklagte sämtliche Schäden seit dem 30.06.2005 zu ersetzen habe, die durch eine verschleppte Insolvenzantragstellung bei der Schuldnerin entstanden seien , und behauptet, die Schuldnerin habe über keine stillen Reserven verfügt und sei bereits seit 2002, jedenfalls aber Mitte 2005 bei Übernahme des ersten Auftrags insolvenzreif, nämlich überschuldet und aufgrund ihrer aus der Überschuldung folgenden Kreditunwürdigkeit zahlungsunfähig gewesen. Jedenfalls seit 2006 sei die Zahlungsfähigkeit zweifelhaft gewesen.
Der Beklagte behauptet, bereits im Mai 2005 den Geschäftsführer auf das Problem der bilanziellen Überschuldung hingewiesen zu haben, worauf dieser ihm erklärt habe, das Problem sei bekannt, es sei eine Kapitalerhöhung geplant und er werde das Problem mit dem Gesellschafter besprechen.
LG weist die Klage ab, OLG die Berufung zurück. Der BGH hebt auf und verweist zurück.
Kernaussagen:
1. Der BGH hält an seiner Rechtsprechung in den Urteilen vom 07.03.2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 19, und vom 06.06.2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 13, nicht uneingeschränkt fest.
2.1 Ein Steuerberater, der es übernimmt, einen handelsrechtlichen Jahresabschluss für einen Kaufmann oder eine Gesellschaft zu erstellen, schuldet einen Leistungserfolg. Er verletzt seine Pflichten aus dem ihm erteilten Auftrag, wenn der Jahresabschluss mangelhaft ist. Er ist zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er diese Pflichtverletzung zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).
2.1.1
Der Steuerberater haftet im Rahmen seines Mandats, einen nach §§ 242, 264 HGB erforderlichen Jahresabschluss zu erstellen, nach Werkvertragsrecht für Mängel bei der Erstellung des Jahresabschlusses jedenfalls dann, wenn er - wie im Streitfall - einen nur auf die Erstellung des Jahresabschlusses gerichteten Einzelauftrag erhält .
Der Beklagte hat nach den revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptungen des Klägers die Jahresabschlüsse für die Schuldnerin pflichtwidrig auf der Grundlage von Fortführungswerten und damit mangelhaft erstellt.
Zur Haftung führende Mängel weist ein Jahresabschluss nicht nur dann auf, wenn er die tatsächlich bestehende rechnerische Überschuldung nicht erkennen lässt, sondern auch, wenn der Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht. Soweit sich aus den genannten Urteilen etwas anderes ergeben sollte, wird daran nicht festgehalten.
2.1.2
Welche Beschaffenheit des Abschlusses vertraglich geschuldet ist, richtet sich nach dem Umfang der Pflichten, die den Steuerberater nach dem Inhalt des ihm erteilten Auftrags bei der Erstellung eines Jahresabschlusses im konkreten Mandat treffen.
Der mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragte Steuerberater schuldet grundsätzlich einen den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden, die Grenzen der zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten nicht überschreitenden und in diesem Sinne richtigen Jahresabschluss i. S. d. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB.
Der Steuerberater ist ohne besondere Vereinbarung nicht verpflichtet, von sich aus die für die Fortführungsprognose erheblichen Tatsachen zu ermitteln. Vielmehr hat der Steuerberater den Jahresabschluss lediglich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm bekannten Umstände zu erstellen.
Der Bilanzaufsteller bestätigt mit seiner Unterschrift unter den Jahresabschluss, dass ihm keine Umstände bekannt sind, die zu einer Abkehr von der Fortführungsvermutung des § 252 HGB zwingen. Soweit danach Entscheidungen des Mandanten erforderlich sind oder Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden sollen oder Bewertungsprobleme zu lösen sind, hat der Steuerberater hierzu die Entscheidung des Mandanten einzuholen, sofern das Mandat nicht ausdrücklich bereits entsprechende Vorgaben enthält.
2.1.3
Der Jahresabschluss ist unabhängig vom Umfang der Prüfungspflicht des Steuerberaters stets mangelhaft, wenn er auf der Grundlage der ihm übergebenen Unterlagen und Angaben des Unternehmers und der ihm bekannten Umstände den handelsrechtlich zulässigen Rahmen überschreitet, also handelsrechtliche Vorgaben verletzt.
2.1.4
Die Haftung setzt zunächst voraus, dass eine Bilanzierung nach Fortführungswerten objektiv aus der Sicht ex ante ausschied. Dies ist der Fall, wenn feststeht, dass der Fortführung der Unternehmenstätigkeit tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen.
2.1.4.1 Hierbei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung des bilanzierenden Unternehmens, weil darauf abzustellen ist, ob es seine Tätigkeit für einen überschaubaren Zeitraum – regelmäßig jedenfalls im auf den Abschlussstichtag folgende Geschäftsjahr – voraussichtlich fortsetzen wird. Objektiv falsch ist eine Bilanzierung nach Fortführungswerten daher nur dann, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Prognoseentscheidung feststeht, dass die Unternehmenstätigkeit bis zum Ablauf des Prognosezeitraums aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eingestellt werden wird.
2.1.4.2 Die Fortführung der Unternehmenstätigkeit ist nach dem Gesetz der zunächst zu unterstellende Regelfall; es spricht so lange eine Vermutung dafür, wie nicht Umstände sichtbar werden, welche die Fortführung unwahrscheinlich erscheinen lassen oder zweifelsfreie Kenntnis von der Unmöglichkeit der Fortführung besteht.
Die Fortführungsvermutung entfällt erst, wenn es objektiv fehlerhaft wäre, von der Aufrechterhaltung der Unternehmenstätigkeit auszugehen. Die Umstände müssen ergeben, dass die Einstellung der Unternehmenstätigkeit unvermeidbar oder beabsichtigt ist.
2.1.4.3 Ist eine Kapitalgesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig, liegen regelmäßig tatsächliche Gegebenheiten im Sinne des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB vor, die der Regelvermutung einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen. Jedoch bedingt ein Insolvenzgrund nicht zwingend die Bilanzierung nach Liquidationswerten, entscheidend ist vielmehr, ob eine Fortführung der Unternehmenstätigkeit auch nach Verfahrenseröffnung zu erwarten oder damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, bereits im Eröffnungsverfahren oder alsbald nach Eröffnung stillgelegt werden wird. Fortführungswerte kommen etwa in betarcht, wenn ein glaubhafter Fortführungsinsolvenzplan vorliegt, eine übertragende Sanierung innerhalb des Prognosezeitraums angestrebt wird und möglich ist oder anzunehmen ist, dass die Unternehmenstätigkeit auch nach einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedenfalls innerhalb des Prognosezeitraums fortgeführt werden wird.
Allein die Tatsache, dass das Unternehmen trotz eines bereits vorliegenden Insolvenzgrunds weiter tätig ist, rechtfertigt es indes nicht, von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen. Entscheidend ist, wie das Unternehmen zum Zeitpunkt des Eintritts des Insolvenzgrundes steht.
2.1.5
Die Haftung des Steuerberaters setzt weiter voraus, dass der Steuerberater die falsche Bilanzierung zu verantworten hat. Er haftet nicht für jeden objektiv zu Unrecht auf der Grundlage von Fortführungswerten erstellten Jahresabschluss, darf jedoch keine Fortführungswerte zugrunde legen, wenn auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen die Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entweder widerlegt erscheint oder ernsthafte Zweifel bestehen, die nicht ausgeräumt werden.
2.1.5.1 Ergeben sich aus den dem Steuerberater zur Verfügung gestellten Unterlagen und den sonst dem Steuerberater bekannten Umständen keine Anhaltspunkte für Zweifel an einer Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit, handelt der Steuerberater pflichtgemäß, wenn er von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgeht.
2.1.5.2 Die Leistung ist mangelhaft, wenn aus den dem Steuerberater zur Verfügung gestellten Unterlagen und den ihm bekannten Umständen tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten folgen, die einer Bilanzierung nach Fortführungswerten entgegenstehen können, und der Steuerberater es unterlassen hat, vom Mandanten abklären zu lassen, ob gleichwohl noch Fortführungswerte zugrunde gelegt werden können. Insbesondere muss er auf Anzeichen achten, die einen Insolvenzgrund darstellen können, vor allem solche, die die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens gefährden können.
Beispiele:
- erhebliche Verluste
- eine zu geringe Eigenkapitalausstattung
- Liquiditätsschwierigkeiten
- bilanzielle Überschuldung.
Handelt es sich nach den Umständen des Falles um ernsthafte Indizien, die eine Unternehmensfortführung zweifelhaft erscheinen lassen, darf ein Jahresabschluss nur dann unbesehen auf der Grundlage der Fortführungswerte erstellt werden, wenn anhand konkreter Umstände feststeht, dass diese belastenden Indizien einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit jedenfalls nicht entgegenstehen. Andernfalls haben die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft eingehende Untersuchungen durchzuführen und dabei anhand aktueller, hinreichend detaillierter und konkretisierter interner Planungsunterlagen zu analysieren, ob weiterhin von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen ist (explizite Fortführungsprognose).
2.1.5.3 Erkennt der Steuerberater Umstände, die geeignet sind, die Fortbestehensprognose in Frage zu stellen, oder hätte er sie bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit erkennen müssen, muss er entweder klären, ob diese Umstände tatsächlich vorliegen oder tatsächlich nicht geeignet sind, die Fortführungsprognose in Frage zu stellen, oder er muss dafür Sorge tragen, dass die Gesellschaft eine explizite Fortführungsprognose erstellt. Übergibt die Gesellschaft dem Steuerberater eine explizite Fortführungsprognose, darf der Steuerberater diese - wenn sie nicht evident untauglich ist - bei der Erstellung des Jahresabschlusses zugrunde legen. Legt der Mandant nicht von sich aus ein Ergebnis einer Prüfung der Fortführungsaussichten vor, muss dies der Steuerberater anmahnen, wenn er das Risiko einer mangelhaften - weil zu Unrecht mit Fortführungswerten aufgestellten - Bilanz ausschließen möchte. Hingegen darf er sich nicht auf bloße Aussagen der Geschäftsführer oder der Gesellschaft ohne sachlichen Gehalt verlassen. Er ist zwar nicht verpflichtet, die notwendigen Überprüfungen ohne gesonderten Auftrag selbst zu veranlassen oder durchzuführen. Er muss jedoch dafür Sorge tragen, dass der Mandant die gegen einen Ansatz von Fortführungswerten bestehenden Bedenken ausräumt, und daher die vom Mandanten abgegebenen Erklärungen daraufhin überprüfen, ob sie stichhaltig sind und Substanz aufweisen.
2.1.5.4 Der Jahresabschluss ist jedoch mangelfrei, wenn der Steuerberater die Gesellschaft auf die konkreten Umstände hingewiesen hat, deretwegen keine ausreichende Grundlage vorhanden war, um ungeprüft Fortführungswerte nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB zugrunde legen zu können, die Gesellschaft ihn aber ausdrücklich angewiesen hat, gleichwohl die handelsrechtliche Bilanz mit Fortführungswerten zu erstellen. Die - vom Steuerberater zu beweisenden - Hinweise müssen sowohl die bestehenden Zweifel an der Fortführungsprognose als auch die notwendige Überprüfung genau und im Einzelfall aufzeigen. Die vom Mandanten erteilte Anweisung hat der Steuerberater sodann in dem von ihm erstellten Entwurf eines Jahresabschlusses zu dokumentieren.
2.1.6
Ohne einen ausdrücklich hierauf gerichteten Auftrag ist der Steuerberater nicht verpflichtet, über die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen und die ihm sonst bekannten Umstände hinaus umfassend Nachforschungen oder Untersuchungen anzustellen, ob die gesetzliche Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB tatsächlich gerechtfertigt ist, oder von sich aus nach möglichen Insolvenzgründen zu forschen. Keine allgemeine Untersuchungspflicht hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft.
2.1.7
Das für eine Schadensersatzhaftung bei Mängeln der Werkleistung erforderliche Verschulden wird vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Steuerberater muss sich mithin entlasten.
2.1.8
Die Kausalität der fehlerhaften Bilanz für den geltend gemachten Insolvenzverschleppungsschaden, insbesondere also den unterlassenen Insolvenzantrag muss der Insolvenzverwalter beweisen.
2.2
Haftung des Steuerberaters aus § 280 Abs. 1, § 675 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Hinweis- und Warnpflicht kommt auch bei mangelfrei erstelltem Jahresabschluss bei Verletzung von Hinweis- und Warnpflichten in Betracht.
2.2.1
Eine Hinweispflicht besteht auch außerhalb des beschränkten Mandatsgegenstands, soweit die Gefahren dem Steuerberater bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen und wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist. Dies gilt insbesondere, wenn die Gefahr Interessen des Auftraggebers betrifft, die mit dem beschränkten Auftragsgegenstand in engem Zusammenhang stehen.
2.2.1.1 Hinweis- und Warnpflichten bestehen, wenn der Steuerberater einen Insolvenzgrund erkennt oder für ihn ernsthafte Anhaltpunkte für einen möglichen Insolvenzgrund offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist, etwa wenn die Jahresabschlüsse in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge aufweisen oder wenn für den Steuerberater offenkundig ist, dass die bilanziell überschuldete Gesellschaft über keine stillen Reserven verfügt.
Insbesondere ist der Steuerberater verpflichtet, die Mandantin über rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten zu unterrichten, die er im Zuge der Erstellung der Jahresbilanz erkennen muss und die der Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können.
§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB stellt auf die Tätigkeit des Unternehmens ab, §§ 17 ff InsO begründen dagegen Handlungspflichten für den Unternehmensträger. Daher liegt es für Steuerberater und Mandanten nahe, dass der Steuerberater auf solche sich bei der Prüfung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ergebende offenkundige Umstände hinweist, die für den Mandanten Handlungspflichten nach den §§ 17 ff InsO begründen können.
2.2.1.2 Hingegen ist der Steuerberater nicht zu weitergehenden Überprüfungen verpflichtet. Erst recht ist der Steuerberater nicht verpflichtet, von sich aus eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen. Vielmehr hat der Geschäftsführer - wenn ihm die entsprechenden Indizien genannt werden - die erforderlichen Überprüfungen selbst vorzunehmen oder gesondert in Auftrag zu geben.
2.2.2
Die Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters setzt weiter voraus, dass er Grund zu der Annahme hat, sein Auftraggeber ist sich der Gefahr nicht bewusst. Entscheidend ist, ob der Geschäftsführer über das konkrete tatsächliche und rechtliche Wissen verfügt, um sich veranlasst zu fühlen zu überprüfen, ob er das Unternehmen in seiner bisherigen Form fortführen kann. Hierzu kann es genügen, wenn - wie der Beklagte behauptet hat - die Schuldnerin ihm gegenüber erklärt hat, das Problem der bilanziellen Überschuldung sei bekannt.
2.2.3
Soweit der Senat ausgesprochen hat, dass die Unterbilanz für den Geschäftsführer ohne weiteres ersichtlich ist und deshalb keine Hinweispflichten des Steuerberaters auf einen möglichen Insolvenzgrund bestehen (BGH, Urt. v. 07.03.2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 19), wird daran nicht festgehalten.
2.2.4
Erfüllt der Steuerberater diese Hinweispflicht nicht, kommt eine Haftung für einen Insolvenzverschleppungsschaden in Betracht, wenn die Gesellschaft tatsächlich früher Insolvenz angemeldet hätte, sofern ihr die mit den (wiederholten) Jahresfehlbeträgen verbundenen Risiken aufgezeigt worden wären.
3. Das Berufungsgericht wird unter anderem zu klären haben, inwieweit eine etwaige Pflichtverletzung für einen unterbliebenen Insolvenzantrag ursächlich gewesen ist, und inwieweit ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers infolge eines der Schuldnerin analog § 31 BGB zuzurechnenden Mitverschuldens ihres Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen ist.
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